Dieser Fall ging bis zum Bundesgerichtshof: Eine junge Frau absolvierte erst eine Lehre und begann danach ein Medizinstudium. Doch wer muss sie unterstützen? Der Vater oder das BAföG-Amt? Ein Klassiker aus meiner Praxis!
Die Tochter machte nach dem Abitur zunächst eine Lehre zur anästhesietechnischen Assistentin, weil sie mit einer Abiturnote von 2,3 nicht direkt zum Medizinstudium zugelassen wurde. Erst mit 26 Jahren konnte sie das Studium beginnen.
Das BAföG-Amt wollte sich das Geld für das Studium vom Vater zurückholen. Doch dieser wusste nicht, dass seine Tochter noch mit 26 Jahren ein Studium begonnen hatte. Er dachte, mit der Lehre sei seine Tochter bereits für einen Beruf qualifiziert und somit nicht mehr finanziell von ihm abhängig.
Außerdem hatte er ein Haus gekauft und musste den Kredit abbezahlen. Mit weiteren Kosten für ein Studium – seiner bereits erwachsenen Tochter – hatte er nicht mehr gerechnet.
Eltern müssen grundsätzlich Ausbildung zahlen!
Der Bundesgerichtshof stellte am 03. Mai 2017 zunächst klar: Wenn ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Lehre und dem Studium besteht, müssen die Eltern den Kindern Unterhalt zahlen. Zum Beispiel, wenn erst eine landwirtschaftliche Lehre und danach ein Agrar-Studium absolviert wird. Einen solchen Zusammenhang gibt es auch zwischen Anästhesietechnikerin und Ärztin.
Aber: Hier konnte der Vater nicht mehr damit rechnen, dass seine Tochter noch studieren wird. Er muss auch sein eigenes Leben planen können. Seine Tochter hatte ihn nicht darüber informiert, dass sie noch Ärztin werden möchte. Die Kosten für das Studium waren für ihn nicht planbar. Das Gericht entschied, dass ihm eine Unterhaltsverpflichtung nicht zugemutet werden kann. (BGH, Urteil vom 3.5.2017 – XII ZB 415/16)
Für Eltern ist dieses Urteil hilfreich. Denn viele Eltern haben Ihren Kindern eine Ausbildung vor dem Studium ermöglicht und finanziert. Lassen Sie sich vom Studentenwerk nicht ins Bockshorn jagen, wenn es eine Unterhaltspflicht unterstellt. Diese muss – das zeigt der Fall deutlich – nicht zwingend vorliegen. In der Praxis behaupten die Studentenwerke aber oft das Gegenteil!
Anspruch auf BAföG kann trotzdem vorliegen
Die Tochter hatte daher am Ende einen Anspruch auf BaFöG. Auch wenn das Amt Ihren Antrag auf BaFöG zunächst nicht bewilligt, kann ein Anspruch doch noch durchgesetzt werden. Geben Sie sich nicht mit einem ablehnenden Bescheid zufrieden. Elternunabhängiges BaFöG kann es auch für unter 30-Jährige geben, wie der Fall zeigt.